Unser Festplatz in der «Bleiche» ist aus Appenzeller Sicht eine historische Stätte.

Bereits im 16. Jahrhundert stand am idyllischen Ort an der Sitter eine Wassermühle. Neben der Dorfmühle Appenzell galt diese als die wohl bedeutendste Wassermühle Innerrhodens. Sie stand hinter dem heutigen fünfstöckigen Blockbau und war dem Namen des Besitzes nach Strickesmühle benannt. Das heutige Haus zur Bleiche wurde 1535 erbaut und feiert schon bald sein 500-jähriges Bestehen. Die alte Bleiche hat gute und schlechte Tage gesehen.

Die Bleiche war zunächst eine vom Staat geführte Bleicherei.

Die rohe Leinwand wurde eingeweicht, gestampft und gebleicht. In einem mehrere 100 Meter langem Kanal wurde von der Sitter das Wasser abgeleitet. Neben der Mühle standen eine Walke am Fluss, ein Beuchhaus (Waschhaus), ein steinernes Schauhaus und die eigentliche Bleiche mit der Wohnung des Bleichemeisters.
Der appenzellische Leinwandhandel konnte sich aber nicht durchsetzen. Bereits 20 Jahre später standen die Bleiche und Walke still.
1604 beschloss der Landrat die Wiederöffnung der Bleiche. Im Jahre 1638 wurden gegen 12’ 000 Stück Tücher gebleicht. Unter dem Bleichemeister Wyser (1628-1654) vollzog sich der Übergang vom staatlichen zum privaten Betrieb. Wyser gelang es, den defizitären Staatsbetrieb in ein blühendes Privatunternehmen zu führen. Unter seiner Führung wurde Korn gemahlen, Wein und Salz gehandelt sowie eine Landwirtschaft betrieben.
Im Jahre 1750 erfolgte der Bau des neuen Wohnhauses mit der Bäckerei (Fassadenmalerei: 1756-1809) zwischen Hochbau und Mühletrakt.
Im Jahre 1803 gelangte die Bleiche durch die Heirat von Johann Baptist Gregor Rusch mit Anna Maria Antonia Manser (Bleichi Ammereieli) in den Besitz der Familie Rusch, jener Familie, in der er sich noch heute befindet.
Der Ratsherr Rusch verstarb sehr früh. Von seinen 5 Söhnen überlebte einzig Floridus. Das Bleichi Ammareieli übernahm die Leitung des Unternehmens Bleiche. Ihr ökonomisches Talent legte den Grundstein für den wirtschaftlichen und politischen Erfolg ihres Sohnes Floridus.
Eine Porträtdarstellung und ein Bildnis des Bleiche Ammereielis sind auf einem alten Fensterladen noch erhalten.
Johann Baptist Floridus Rusch übernahm im Alter von 23 Jahren die Leitung des Unternehmens Bleiche.
Die Bleicherei war nicht lukrativ, zudem setzte ein Sturmwind von 1842 den Bleichebauten zu. Floridus gab Leinenindustrie auf. Floridus widmete sich dem Kornhandel, dem Sägewerk und der Landwirtschaft. Als Erster im Lande wendete er Drainage an (im Boden verlegte Abflussmöglichkeiten für Bodenwasser) und planierte die Bleichewiesen. Floridus investierte in Immobilien und Liegenschaften und wurde grösster Grundbesitzes Innerhodens. Wie seine Vorgänger in der Bleiche nahm er vielfältige Aufgaben in der Regierung wahr. Er gab den Anstoss zum autonomen Salzhandel des Kantons und organisierte das Armenwesen.
Unter Floridus Leitung erlebte die Bleiche ihren letzten Höhepunkt.
1846 setzte ein Hochwasser im August den Gebäulichkeiten arg zu. Anstelle der zerstörten Mühle liess Floridus eine Sägerei einrichten.
Er liess zudem die heute noch geschätzte Promenade entlang der Sitter mit Bäumen und Ruhebänken errichten.
Die Bleiche ging zuerst an Joh. Bapt. Emil Rusch (ältester Sohn von Floridus), der sich aber als Vollblutakademiker nicht für Bleiche interessierte. Dieser baute die Villa Sälde (Glück) unweit der Bleiche und zog um. Landamann Johann Baptist Emil Rusch (1844-1890) war führender Kopf der konservativen Partei, Gründer der ländlichen Feuerversicherung und Appenzeller Volksfreundes, des Historischen Vereins und der ländlichen Ersparniskasse (später Kantonalbank). Johann Baptist Emil Rusch verkaufte 1873 die Bleiche für 90’000.- an seinen Bruder Josef Anton Alois.
Die Bleiche war nun ein Unternehmen aus Landwirtschaft, Sägerei, Bäckerei und Kornhandel.

Die Bleiche um 1860 mit hochgemauertem Mühlewerk, Abflusskanal und angelehntem Mahlrad. (Zeichnung von Josef Cades)

1890 scheiterte ein Projekt der Säntisbahn von Gais nach Appenzell mit einem Bahnhof auf dem Bleichareal im Grossen Rat.

1903-04 wurde die neue Bahnlinie Appenzell-Gais gebaut. Das Sitter Viadukt und der Damm wurden errichtet.

Ansichtskarte der Sitterpromenade um 1900 mit Wasserkanal und Brücke. Im Hintergrund die Sägereibauten.

Im Jahre 1904 trennte der damalige Besitzer Josef Anton Rusch die Bleicheheimat. Der Sohn Albert Alois übernahm den Landwirtschaftsbetieb und baute ein eigenständiges Bauernhaus. Die alte Bleiche mit Sägerei, Bäckerei mit Kornhandel wurde von Josef Anton Rusch-Gmünder weitergeführt.

Ansichtskarte um 1900

Ein Hochwasser zerstörte 1908 einen Grossteil der Sägereibauten. Diese wurden als Folge geschlossen.

1910 wurde die Säge abgebrochen, der Kanal (der sich durch das ganze Bleichegut zog) und der Tüchelros (Weiher für Wasserleitungsröhren) wurden ausgefüllt. Fast nichts mehr erinnerte an die Mühle-und Sägereivergangenheit der Bleiche.

Bis in die 60er-Jahre wurde die Bäckerei mit dem heute noch erhaltenen Holzofen betrieben. Die Bürli des Blächi Anton waren weitherum bekannt.

Ansichtskarte um 1920

1976 ging der Bleichebesitz an Elsi und Titus Haas (Neffe der kinderlosen Vorgänger) über. Es folgten umfassende Aussen- und Innenrenovationen.

1978 eröffnen sie eine Galerie und später eine Pizzeria. Retonio’s Zaubermuseum bescherte der Bleiche viele Besucherinnen und Besucher.

2022 führte die Theatergesellschaft Appenzell mit grossem Erfolg das Fassadentheater MORSCH von Adrian Meyer in und um die Bleiche auf und betreibt seither im Advent das Bleichebeizli.

2023 erfolgten diverse Aussenrenovationen.

Die Bleiche gilt als Kulturdenkmal des Kantons Appenzell Innerrhodens. Sie steht unter Bundes- und Denkmalschutz.

Autorin: Christa Fonseca-Haas